2 - Grundrechtseingriffe durch Corona-Maßnahmen [ID:16436]
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Herzlich willkommen zur zweiten digitalen Vorlesung unserer Reihe Rechtsstaatlichkeit,

Grund- und Menschenrechte in der Corona-Krise. Mein Name ist Markus Krajewski, ich bin Professor

für Öffentliches Recht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und ich freue mich, dass

Sie wieder dabei sind. In dieser Vorlesung möchte ich mich damit beschäftigen, wie weit

der Staat tatsächlich in unsere Grundrechte eingreifen darf und welche Grenzen dabei zu

berücksichtigen sind. Es geht also um die Frage, inwieweit die allgemeine Handlungsfreiheit,

die Bewegungsfreiheit, aber auch die Berufsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit eingeschränkt

werden darf zum Schutze von Gesundheit und Leben. Im ganzen Land werden die Einschränkungen und

Verbote, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erlassen wurden, schrittweise und vorsichtig

gelockert. Geschäfte und Restaurants dürfen unter Einhaltung strenger Hygieneschriften

wieder öffnen. Gottesdienste sind wieder, wenn auch sehr eingeschränkt, zulässig. Kitas und

Schulen öffnen langsam wieder ihre Toren. Gleichzeitig demonstrieren immer mehr Menschen

gegen noch verbleibende Einschränkungen. Viele von ihnen verweisen dabei auf das Grundgesetz

und Grundrechtseinschränkungen, die ihnen zu weit gehen. Diese Frage treibt nicht nur Bürgerinnen

und Bürger um, sondern sie beschäftigt auch Juristinnen und Juristen, zunehmend auch Gerichte.

In dieser Vorlesung wollen wir uns daher näher mit Grundrechtseingriffen durch Corona-Maßnahmen

befassen. Ich will dabei zwei konkrete Fragen behandeln. Erstens, welche Grundrechte wurden

eigentlich eingeschränkt? Das soll auch einen Eindruck vermitteln, wie weit die Einschränkungen

insgesamt gehen. Und zweitens, unter welchen Voraussetzungen dürfen Grundrechte eingeschränkt

werden? Kurz also, sind die Einschränkungen verfassungskonform? Wie bereits in der ersten

Vorlesung werden wir uns, als wir uns mit den Rechtsgrundlagen der Corona-Maßnahmen befasst

haben, bedarf es wieder eines Blicks in das Grundgesetz. Die Grundrechte stehen dort an

erster Stelle in Artikel 1 bis 19. Unsere Verfassung beginnt mit dem Bekenntnis des deutschen Volks zu

diesen Grundrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft und sie binden Gesetzgebung,

Regierungen und Verwaltungen sowie die Gerichte unmittelbar an die Grundrechte. Damit kommen wir

zur ersten Frage, welche Grundrechte wurden eingeschränkt? Corona-Maßnahmen der letzten

Wochen sind zahlreich und haben zu einer Vielzahl von Einschränkungen des Alltags, aber auch des

wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens geführt. Wenn man den Grundrechte-Katalog

durchblättert, fallen einen viele Grundrechte auf, die eingeschränkt wurden. Das Verbot,

sich mit anderen Personen als der eigenen Familie unter dem eigenen Haushalt zu treffen,

schränkt die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes 1. Das

Verbot, die Wohnung außer aus einem triftigen Grund zu verlassen, betrifft die Freiheit der

Personen nach Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das Verbot von Gottesdiensten greift in die

Religionsausübungsfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes ein, die Schließung von Konzerthallen,

Theatern, Museen in die Kunstfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3. Beschränkungen von Demonstrationen

betreffen natürlich die Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 Grundgesetz. Das Verbot, innerhalb

Deutschlands Familienmitglieder zu besuchen, beschränkt die Freizügigkeit nach Artikel 11.

Und Betriebsschließungen und die Untersagung von Dienstleistungen betreffen natürlich die

Berufsfreiheit nach Artikel 12 des Grundgesetzes. Nicht ganz einfach zu bewerten ist die Schließung

von Schulen und Kindergärten. Das Grundgesetz kennt kein ausdrückliches Grundrecht auf Bildung.

Darauf kommen wir am Ende noch einmal zurück. Für das Recht auf Bildung müssen wir auf die

allgemeine Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Artikel 2 Absatz 1 und auf

die Berufsfreiheit nach Artikel 12 abstellen, die jedenfalls auch die Ausbildung betrifft.

Eine andere Frage, die in der derzeitigen Diskussion allerdings kaum gestellt wird,

ist, welche Grundrechte wurden eigentlich nicht eingeschränkt. Auch hier kann man das Grundgesetz

durchblättern und zahlreiche Grundrechte finden, die gar nicht betroffen sind. Dazu zählen zum

Beispiel die Menschenwürde nach Artikel 1 des Grundgesetzes als die absolute Grundlage und

unantastbares Grundrecht. Keine der Maßnahmen, die im Zuge der Corona-Krise getroffen wurden,

machen den Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns. Ebenso wurde auch das Recht auf

körperliche Unversehrtheit nicht eingeschränkt. Es gibt keine staatlichen Zwangsbehandlungen,

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:21:59 Min

Aufnahmedatum

2020-05-24

Hochgeladen am

2020-05-24 20:16:27

Sprache

de-DE

In welche Grundrechte wird durch die Corona-Maßnahmen eingeriffen? Unter welchen Voraussetzungen sind die Eingriffe rechtmäßig? Darum geht es in der zweiten Vorlesung dieser Reihe.

Tags

Menschenrechte Rechtsstaat Grundrechte Corona
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